Einleitung
In den modernen Gesellschaften hat sich der Sport zu einem äußerst vielschichtigen Bereich entwickelt. Er ist aus unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Sei es nun, dass in den Massenmedien über sportliche Höchstleistungen berichtet wird, oder wir uns selbst sportlich betätigen. Dieser Teilbereich der Gesellschaft hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung auf Grund von Einflüssen, beispielsweise aus der Wirtschaft oder auch der Wissenschaft durchlaufen. Wie sehen nun diese Einflüsse genau aus, welche Schlussfolgerungen zieht der Bereich des Sports selbst daraus und beeinflusst der Sport auch umgekehrt andere gesellschaftliche Teilbereiche? Und sind dann diese Wechselwirkungen eher positiver oder eventuell auch negativer Natur? Dies soll nun hier unter Zuhilfenahme der Systemtheorie von Niklas Luhmann und speziell dem Konzept der funktionalen Differenzierung näher beleuchtet werden.
Niklas Luhmann zählt nach wie vor zu den interessantesten und bedeutendsten Soziologen der Gegenwart. Mit seiner komplexen Systemtheorie gelingt es ihm immer wieder die Gesellschaft aus einem neuen Blickwinkel heraus uns näher zu bringen. In der vorliegenden Arbeit wird besonderes Augenmerk auf den Ansatz der funktionalen Differenzierung von Gesellschaften gelegt, der in der Luhmannschen Systemtheorie einen zentralen Platz einnimmt. Zu Beginn sollen grundlegende Begriffe der Systemtheorie erläutert werden. Im Anschluss daran werden das Konzept der funktionalen Differenzierung sowie die verschiedenen Differenzierungsformen vorgestellt. Danach soll dieses Konzept am Beispiel des Teilsystems Sport veranschaulicht werden. Wenn hier von Sport die Rede sein wird, so soll ausschließlich der Spitzensport gemeint sein. Da in der modernen Gesellschaft der Bereich des Spitzensports durch viele andere Teilbereiche wie z. B. Wirtschaft, Politik, Wissenschaft oder Massenmedien berührt wird, soll im dritten Abschnitt der Arbeit besonders auf diese Beziehungen, die in der Systemtheorie unter dem Begriff strukturelle Kopplung zusammenfasst werden, näher eingegangen werden.
I. Grundüberlegungen zur Systemtheorie
Zuerst einmal soll hier geklärt werden was ein System überhaupt ist. Im allgemeinen Verständnis wird ein System als geregeltes Zusammenspiel verschiedener Elemente bezeichnet. Jedoch scheint diese Definition doch etwas ungenau zu sein. Eine präzise Definition findet man bei Ulrich und Probst. Dort wird ein System folgendermaßen beschrieben: „Ein System ist ein dynamisches Ganzes, das als solches bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen besitzt. Es besteht aus Teilen, die so miteinander verknüpft sind, dass kein Teil unabhängig ist von anderen Teilen und das Verhalten des Ganzen beeinflusst wird vom Zusammenwirken aller Teile.” (Ulrich/Probst: 30)
Wenn Luhmann von Systemen spricht meint er vor allem soziale Systeme. Für ihn bestehen soziale Systeme „… aus Kommunikation und aus deren Zurechnung als Handlung“ (Luhmann 1984: 240). Dabei werden soziale Systeme nicht als räumliche Gebilde verstanden, sondern vielmehr als symbolisch-sinnhafte Konglomerate, die sich eben durch den jeweiligen Sinnzusammenhang voneinander abgrenzen. Durch diese Sinnbildung wird es dem System ermöglicht zu Handeln bzw. eine Orientierung zu finden, was sinnvoll oder sinnlos innerhalb des Systems ist (Willke 1993, 44ff.). Sinn steuert also ein System und ordnet es somit. Durch die Ausbildung einer gewissen Ordnung und Struktur ist es nun möglich die Komplexität, welche aus der Umwelt herangetragen wird, innerhalb der selbst vorgegebenen Sinnparameter zu verarbeiten. Komplexität kann dabei als „… Grad an Vielschichtigkeit, Vernetzung und Folgelastigkeit eines Entscheidungsfeldes.“ (Willke 1993, 279) verstanden werden.
Bei Luhmann werden drei verschiedene Typen von sozialen Systemen entlang ihrer steigenden Komplexität unterschieden (Schimank 2000: 139). Beginnend auf der Mikroebene, auf der das Interaktionssystem verortet ist, werden hier Sinngrenzen erzeugt, die durch gemeinsame Themenbildung entstehen (Schimank 2000: 139). Die Mesoebene umfasst Organisationen als soziale Systeme. Die Zugehörigkeit zu einer Organisation wird über die Mitgliedschaft definiert. Hier wird die Grenze durch formale Verhaltensregeln gezogen (Schimank 2000: 140). Die Mitgliedschaft wird nur solange aufrecht erhalten, solange die vorgegebenen Verhaltensregeln beachtet werden. Schließlich befindet sich auf der Makroebene die Gesellschaft bzw. die Gesellschaftssysteme. Diese stellen sozusagen den Überbau, unter dem sich Interaktions- und Organisationssysteme befinden, dar. Die Gesellschaftssysteme grenzen sich durch ihre kommunikative Erreichbarkeit voneinander ab (Schimank 2000:139).
Es ist also notwendig, dass ein System eine Grenze zur Umwelt zieht, um Komplexität besser managen zu können. Die Reduktion von Komplexität ist nach Luhmann die Hauptleistung von Systemen. Jedoch kann dies wiederum nur durch eine Komplexitätssteigerung innerhalb der Systeme erreicht werden.
Systeme benötigen internen Charakteristika, mit denen sie sich an der Relation System/Umwelt orientieren. Es muss also klar abgegrenzt werden, was zum System und was zur Umwelt gehört. Diese Unterscheidung von System und Umwelt muss von der Seite des Systems her immer wieder neu produziert werden, d. h. es muss immer wieder seine Grenzen neu ziehen. Das impliziert auch, dass Systeme auf ihre Umwelt achten müssen. Sie sind also geschlossen (grenzen sich ab), gleichzeitig aber auch offen (gegenüber der Umwelt) um sich abgrenzen zu können. Es wurde nun schon sehr oft der Begriff Umwelt verwendet, ohne jedoch näher darauf einzugehen. Allgemein kann gesagt werden, das Umwelt jeweils das ist, was nicht zum System gehört (Willke 1993: 283). Dabei legt jedes System selbst fest, was als Umwelt betrachtet wird. Sie kann sich, für das System, je nachdem welche Operationen das System ausführt, verändern.
Der Leitgedanke in Luhmanns Systemtheorie ist die Unterscheidung zwischen System und Umwelt. Ohne System gibt es keine Umwelt, ohne Umwelt gibt es kein System. Ein System ist somit die Differenz zur Umwelt. Umwelt ist sozusagen die Außenseite des Systems (Berghaus 2004, 42). Sie wird von jedem System anders wahrgenommen und wird nur als solche in Relation zur eigenen Sicht des Systems auf sich selbst erkannt. Beispielsweise stellen für den Sport die Massenmedien, die Wirtschaft usw. Umwelt dar. Systeme beobachten also einmal sich selbst (Selbstreferenz) und zum anderen die Umwelt (Fremdreferenz). Die System-Umwelt-Differenz wird vom System in das Systeminnere kopiert und dort als Orientierung für sämtliches Beobachten bzw. Unterscheiden genutzt. Dieser Wiedereintritt der Unterscheidung zwischen System und Umwelt, also vom Beobachter und Beobachteten in das System wird als „re-entry“ bezeichnet (Berghaus 2004: 44, Münch 2004: 202, Luhmann 1998: 45).
Selbstreferenz bzw. Autopoesis bedeutet, das Systeme ihre Elemente selbst, also in Eigenregie bilden. Dabei beziehen sie sich rekursiv auf die vom jeweiligen System gebildeten Elemente. Systeme erzeugen sich also selbst, durch eine immerwährende Reproduktion ihrer Elemente und ihrer Strukturen. Dieser Vorgang wird bei Luhmann auch als Operation bezeichnet. Wenn ein System operiert, dann ist dies gleichzusetzen mit: das System existiert. Also muss ein System operieren und weiter operieren… um seine Anschlussfähigkeit zu erhalten, sein Überleben zu sichern. Ein soziales System kennt nur die Operationsweise der Kommunikation. Sie ist die grundlegende Operation der Autopoesis sozialer Systeme (Schimank 2000, 148). Kommunikation besteht, so Luhmann, aus drei Selektionen: Information, Mitteilung und Verstehen. Wie Kommunikation unter diesen Prämissen funktioniert soll hier kurz an einem Beispiel des veranschaulicht werden:
1. Selektion der Information
Der Sender beurteilt Informationen. Ein Speerwerfer selegiert also Informationen von denen er glaubt, dass sie besonders gut seine Überlegenheit gegenüber den anderen Teilnehmern des Wettkampfes demonstrieren. Zu beachten ist, dass der Speerwerfer nicht als Mensch Informationen beurteilt, sondern seine Rolle, die er im System Sport einnimmt.
2. Selektion der Mitteilung
Nun teilt der Sender dem Empfänger einige der Informationen mit. Bezogen auf das Beispiel Speerwurf könnte das bedeuten: der Speerwerfer wirft den Speer besonders weit. Damit möchte der Sender seine Überlegenheit demonstrieren und die Gegner schocken.
3. Selektion der Annahme des Verstehens
Der Empfänger (der gegnerische Sportler) kann diese Mitteilung wahrnehmen oder nicht. Wenn er auf den weiten Wurf des Senders aufmerksam wird, dann versteht er den Charakter der Mitteilung und wird sich außerdem noch bewusst, das der Wurf auch ganz anders (nämlich kürzer oder ungültig) hätte ausfallen können. Wenn der Empfänger nun diese Mitteilung interpretiert, beispielsweise als Kampfansage oder Demonstration von Überlegenheit und seinerseits versucht besonders weit zu werfen, so wird eine weitere Mitteilung und Information ausgelöst. Somit wird der Empfänger zum Sender und eine Anschlusskommunikation ist entstanden.
Zusammenfassend kann gesagt werden, soziale Systeme führen zwei zentrale Aktivitäten aus. Sie operieren, in Differenz zur Umwelt, und beobachten in Selbst- und Fremd-referenz.
II. Systemdifferenzierung – Funktionale Differenzierung
Welche Strategien kann nun ein System nutzen, um die Umweltkomplexität besser innerhalb seiner Grenzen verarbeiten zu können? Die Möglichkeit auf die hier näher eingegangen werden soll, heißt Systemdifferenzierung. Was kann man sich nun konkret unter Systemdifferenzierung vorstellen. Sie soll als rekursive Systembildung verstanden werden, d.h. die Systembildung wird auf die eigenen Resultate angewendet (Luhmann 1997, 597). In einem System entstehen weitere Systeme. Wenn man nun vom neu entstandenen System, auch Teilsystem genannt ausgeht, so kann der Rest als Umwelt bezeichnet werden. Für das Teilsystem erscheint das Gesamtsystem jetzt als Einheit der Differenz von Teilsystem und Teilsystemumwelt (Luhmann 1997: 597). Ein Beispiel ist das Sportsystem. Dort können sich die Teilsysteme „Leistungssport“ und „Breitensport“ ausbilden. Durch Systemdifferenzierung entstehen also systeminterne Umwelten, indem die Unterscheidung von System und Umwelt in das System wieder hineingetragen wird (re-entry). Für das Teilsystem „Leistungssport“ ist also das Sportsystem aber auch das Teilsystem „Breitensport“, sowie das Wirtschaftssystem Umwelt.
Erkennt ein Teilsystem was ein anderes Teilsystem ist und bestimmt sich das Teilsystem durch diesen Unterschied, dann kann man von einer Form der Systemdifferenzierung sprechen (Luhmann 1997: 610).
Gesellschaftssysteme können durch die Form ihrer Differenzierung charakterisiert werden.
Nach Luhmann ist eine Form eine Unterscheidung in zwei Bereiche. Dabei kann der Systembegriff als Unterscheidung von System und Umwelt verstanden werden. Der Begriff Differenzierungsform zielt darauf ab, das Verhältnis der Teilsysteme in einem Gesamtsystem zu beschreiben. Im Anschluss sollen nun verschiedene Differenzierungs-formen vorgestellt werden.
1. Differenzierungsformen
Zur Bearbeitung bzw. Reduktion von Komplexität werden verschiedene Systemkapazitäten genutzt. Luhmann (1997, 613ff.) unterscheidet vier Formen der Differenzierung: segmentäre Differenzierung, stratifikatorische Differenzierung, Differenzierung in Zentrum und Peripherie und letztendlich funktionale Differenzierung, die sich evolutionär gebildet haben. Des weiteren werden diese Differenzierungsformen anhand von zwei Dimensionen näher erklärt (vgl. Schimank 2000, 150). Die erste Dimension beinhaltet die Differenzierung der Gesellschaft in Teile. Diese können sowohl gleichartig als auch ungleichartig sein. Die zweite Dimension gibt an, dass die Teile entweder nach einer Gleichrangigkeit oder einer Ungleichrangigkeit differenziert werden können. Hier sollen nun die Differenzierungsformen näher vorgestellt werden, unter Berücksichtigung der beiden Dimensionen.
Die einfachste Stufe ist die segmentäre Differenzierung. Sie zeichnet sich dadurch aus, das alle gesellschaftlichen Teilsysteme gleichartig sind. Auch haben diese Teile alle den gleichen Rang. Dies kann z.B. in Familien oder Clans beobachtet werden (vgl. Schimank 2000: 150f, Luhmann 1998: 613, Cachay/Thiel 2000: 31 ff.). In segmentär differenzierten Gesellschaften ist die Position von Individuen fest in der sozialen Ordnung verankert. Sie kann nicht durch wie auch immer geartete Leistungen verändert werden, d.h. es ist nicht möglich „Karriere zu machen“ (Luhmann 1998, 638ff). Das Ausmaß an Komplexität ist in segmentären Gesellschaften eher gering. Zwar kann man auch hier eine gewisse Steigerung der Eigenkomplexität beobachten, jedoch beschränkt sich diese u.a. fast ausschließlich auf Rollendifferenzierungen (Luhmann 1998, 641, spricht hier von Erblichkeit der Rollen wie es in Priester- oder Häuptlingsfamilien vorkam).
Das Kommunikationsmedium dieser Gesellschaft ist allein die Sprache. Zu einer evolutionären Entwicklung segmentärer Gesellschaftsformen kommt es, wenn sich die Gleichheit des Ranges oder/und die Gleichartigkeit der Teilsysteme verändern. Die Veränderung der Ranggleichheit kann sich vollziehen, wenn in bestimmten Schichten nur untereinander geheiratet wird. Dieser Vorgang ist mit Stratifikation gleichzusetzen (Luhmann 1998: 662).
Treten jedoch Ungleichheiten in der territorialen Ordnung auf, so kann es zu einer Differenzierung nach Zentrum und Peripherie kommen. Diese Differenzierungsform kommt in segmentär differenzierten als auch in stratifikatorisch differenzierten Gesellschaften vor und ist gekennzeichnet durch die Ausprägung von strukturellen Ungleichheiten. Dem Zentrum wird dabei eine dominierende Rolle zuteil (Luhmann 1997: 663).
Bei der stratifikatorische Differenzierung sind die Teilsysteme ungleichrangig und ungleichartig. Das Kommunikationsmedium, das sich in der stratifizierten Gesellschaft entwickelt, ist die Schriftsprache. Für diese Differenzierungsform sind hierarchische Beziehungen kennzeichnend. Beispiele hierfür sind Stände- oder Klassengesellschaften, aber auch das indische Kastensystem. Ständegesellschaften können nach Adel und Volk unterschieden werden, Klassen (grob gesehen) nach Ober- und Unterschicht (vgl. Schimank 2000: 150f, Luhmann 1997: 613). Die Unterscheidung Oben/Unten bringt ein erhöhtes Maß an Komplexität mit sich. Diese Unterscheidung ist die Leitdifferenz in stratifizierten Gesellschaften. Die Teilsysteme können somit unter ein gemeinsames Differenzierungsmuster gestellt werden. Jedes Teilsystem konnte nur über die Ausbildung einer Rangdifferenz zu einer eigenen Identität gelangen. Durch diese Monokontexturalität wurde die Komplexität, die mit der Unterscheidung Oben/Unten entstand, wieder eingeschränkt. Auch in stratifizierten Gesellschaften gab es eine Rollendifferenzierung. Sie erfolgte durch die Zuordnung zu einem Stand/einer Schicht der Gesellschaft und wurde durch diese bestimmt (Cachay/Thiel 2000: 36). So konnte eine Person nur Mitglied einer Schicht sein, z.B. der bäuerlichen Schicht, d.h. Inklusion fand entlang der sozialen Schichtung der Gesellschaft statt. Mit dem Übergang zur funktionale Differenzierung bestimmen nun die einzelnen Teilsysteme ihre Identität selbst (Luhmann 1997: 745). Bei dieser Differenzierungsform sind die Teilsysteme ungleichartig aber gleichrangig. Die Gleichrangigkeit drückt sich darin aus, dass alle Teilsysteme gleichwichtig erscheinen und somit keines über das andere gestellt werden kann. Wissenschaft ist nicht wichtiger als Wirtschaft oder Politik (vgl. Schimank 2000: 150f). In funktional differenzierten Gesellschaften sind Rollen nicht mehr über Standeskriterien definiert. Durch die Ausdifferenzierung der verschiedenen Teilsysteme kommt es auch zu einer Ausdifferenzierung der Rollen, die eine Person innehaben kann. Es wird also jedem Einzelnen, durch die Übernahme bestimmter Rollen, die Möglichkeit geboten an allen Teilsystemen teilnehmen zu können. Jedoch kommt es hier zu neuartigen Rollenasymmetrien (Luhmann 1997: 739). Diese sind laut Luhmann schicht- aber nicht standesabhängig. Er führt das Beispiel an, dass nicht jeder Arzt werden kann, aber jeder Patient. Dies lässt sich nicht so ohne weiteres auf den Leistungssport übertragen. Dort können auch Personen aus weniger privilegierten Schichten Spitzensportler werden, z.B. Fußballstars aus Brasilien.
Jedes Teilsystem unterscheidet sich jeweils in seinem besonderen (speziellen) Beitrag zur gesellschaftlichen Reproduktion. Es orientiert sich also an einer bestimmten Funktionsweise. Dadurch behauptet es seine gesamtgesellschaftliche Relevanz. Beispielsweise hat das System Wissenschaft (nur) die Funktion Wissen zu erweitern. Es gibt also keine gemeinsame Grundsymbolik (Rangdifferenz) mehr wie in stratifizierten Gesellschaften. Jedes Teilsystem besitzt eine eigene Leitdifferenz in Form eines binären Codes (der binäre Code des Teilsystems Sport lautet Sieg/Niederlage). Jedes Ereignis wird nun im Kontext dieser Leitdifferenz betrachtet. Da jedes Teilsystem das Ereignis speziell in seinem Kontext beobachtet, kann man hier von Polykontexturalität sprechen. So fällt ein sportliches Großereignis nicht nur in den Zuständigkeitsbereich des Teilsystems Sport. Es berührt außerdem noch die Wirtschaft, die Politik oder die Massenmedien. Weil die verschiedenen Sozialsysteme gleichrangig nebeneinander existieren, in einem jeweils eigenen Kontext, wird einen neue Stufe der Komplexität erreicht.
Das charakteristische Kommunikationsmedium funktional differenzierter Gesellschaften ist der Buchdruck. Mit dieser, für die gesamte gesellschaftliche Kommunikation, revolutionären Erfindung konnte sich schließlich das System der Massenmedien etablieren.
Die hier angeführte Tabelle soll noch einmal eine komprimierte Sicht auf die verschiedenen Differenzierungsformen und die dazugehörigen Dimensionen darstellen.
Allerdings ist zu beachten, dass die Entwicklung der einzelnen Differenzierungsformen nicht stringent nacheinander erfolgte, sondern vielmehr nebeneinander, d.h. es gab z.B. schon in archaischen Gesellschaften neben der dort vorherrschenden segmentären Differenzierung auch funktionale Differenzierung in Form von geschlechtlicher Arbeitsteilung (vgl. Schimank 2000:152).
2. Teilsysteme und Binäre Code
Wie schon angesprochen ist die Ausbildung von Teilsystemen ein Hauptmerkmal funktional differenzierter Gesellschaften. Luhmann betrachtet als wichtige Teilsysteme der Gesellschaft Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Recht, Militär, Gesundheit, Kunst, Massenkommunikation, Sport, Familie, Intimbeziehungen und Erziehung. Diese Teil- oder auch Funktionssysteme entstehen entlang der speziell an sie gerichteten gesellschaftlichen Erfordernisse.
Das bedeutet, jedes Funktionssystem befasst sich genau mit den Problemen, für die es konzipiert wurde. Das heißt auch, dass es keine Rangfolge der verschiedenen Funktionen gibt. Recht ist beispielsweise nicht wichtiger als Wirtschaft usw. (vgl. Luhmann 1987: 34f). Jedes dieser Systeme kann für sich allein betrachtet werden. Die übrigen Funktions-systeme werden dann sozusagen als Umwelt, bzw. als restliche Gesellschaft, interpretiert (vgl. Luhmann 1987: 35). Insgesamt gesehen bilden alle Teilsysteme die Gesellschaft, wobei jedes dieser Systeme seinen Platz in der Gesellschaft selbst festlegt, durch eine ganz spezielle (eigene) Sichtweise, und wiederum dadurch ein Stück zu eben dieser Gesellschaft beiträgt (vgl. Luhmann 1987: 35). Diese Systeme sind operativ geschlossen, autopoietisch bzw. operieren in Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz reduzieren Komplexität durch die Ausbildung binärer Codes. Dies bedeutet, dass sich Kommunikation von Umwelteinflüssen ablöst und sich nicht mehr daran ausrichtet. Systeme (Teilsysteme) setzen ihre Grenzen nun vielmehr durch binäre Codes (Schimank 2000: 155). Jedes System hat seinen eigenen Code, der nur von ihm verstanden und genutzt wird. Daneben gibt es noch Programme und Prozesse, die spezifisch für jedes System sind. Programme enthalten generalisierte Werte, Rollen und Erwartungen. Prozesse beinhalten die fortschreitende Interaktion, Kommunikation und Handlung (Münch 2004: 208).
Es wurde bereits angesprochen, dass Systeme sich und alles andere beobachten. Wenn es zur Ausbildung von Teilsystemen kommt, kann man drei verschiedene Möglichkeiten der Beobachtung anwenden (Luhmann 1997: 757):
1.das Gesamtsystem, dem das Teilsystem angehört, wird beobachtet (der Sport beobachtet die Gesellschaft). Dies wird als Funktion des Systems bezeichnet;
2.es werden andere Teilsysteme in der gesellschaftsinternen, oder andere System, in der externen Umwelt beobachtet ( der Sport beobachtet die Wirtschaft…). Hierbei handelt es sich um die Leistung des Systems;
3.das Teilsystem beobachtet sich selbst. Dies stellt die Reflexion des eigenen Systems dar. Funktion, Leistung und Reflexion sind die Referenzen eines Systems.
3. Die Ausdifferenzierung des sozialen Systems Sport
In dieser Arbeit wurde bereits festgestellt, dass sich Teilsysteme ausdifferenzieren, indem sie ein gesellschaftliches Problem diagnostizieren und dessen Bearbeitung wie auch Lösung für sich in Anspruch nehmen. Durch die Übernahme einer bestimmen, speziellen Funktion und die Bereitstellung der dazugehörigen Leistung versucht sich das Teilsystem gesamtgesellschaftlich zu legitimieren um sich weiter ausdifferenzieren zu können.
Wie kam es jedoch zur Ausdifferenzierung und damit zur Entstehung des modernen Sports?
Am Anfang soll hier noch nicht vom Sport gesprochen werden, sondern von Körperübungen als Vorläufer, der heute landläufigen Vorstellung davon, was Sport ist.
Die vermutlichen Anfänge der Körperübungen sind in der Urgesellschaft zu verorten (Lukas 1969: 19). Lukas definiert diesen Begriff als „… sich wiederholende Bewegungsabläufe, die der organischen Einheit des Menschen entspringen und im monistischen Sinne eine physiologische und eine geistige Seite aufweisen, die stets miteinander und aufeinander wirken. Der Antrieb, die Auslösung erfolgt, je nach Lebensalter und individueller Eigenart, durch die geistige und psychische Komponente.“ (Lukas 1969: 17). In der Urzeit waren Bewegungen Bestandteil kultischer Handlungen. Schamanen führten Tänze durch, in denen sie Tiere, die für die Stamm z.B. als Nahrungsquelle dienten oder auch ganze Jagdszenarios, nachahmten. Mit dieser Art der Magie wollten sie ein glückliches Ende der Jagd heraufbeschwören (Lukas 1996: 21). Ebenso wurden Fruchtbarkeitstänze und Wurfübungen mit Jagdwaffen durchgeführt. Mit der Herausbildung von Ackerbau und Viehzucht veränderten sich auch die Körperübungen. Jahresabläufen wie Sommer und Winter wurden stärkere Bedeutung beigemessen. Dadurch veränderte sich auch der Glauben und die Kulte. Die Fruchtbarkeit von Mensch, Tier und Pflanze rückte in den Mittelpunkt. Neue Arbeitsmittel wie z.B. Pfeil und Bogen, Schlitten und Schneeschuhe (im Norden Europas) wurden entwickelt (Lukas 1969: 23). Es wurde die Handhabung dieser Geräte geübt. Ebenso führte man Wettkämpfe durch.
Wichtige Anfänge des Sports, so wie wir ihn uns heute vorstellen, liegen in der Antike. Dort fand bereits eine rollenförmige Ausdifferenzierung statt. Es wurden regelmäßig Wettkämpfe in verschiedenen Sportarten, z.B. Ringen oder Diskuswurf, nach jeweils speziellen Regeln durchgeführt. Sportler trainierten bereits gezielt für eine oder mehrere Sportarten und Sieger erreichten einen hohen Bekanntheitsgrad. Damals herrschte eine recht strenge Interpretation des Siegescodes vor, nur der Sieg war wirklich wichtig. Zweite und dritte Plätze waren nicht von Bedeutung.
Die ersten „Superstars“ des Sports waren die Gladiatoren. Sie konnten sich beim Publikum durchaus einer gewissen Beliebtheit erfreuen. Gladiatoren waren in der Regel Sklaven. Aber auch freie Bürger entschlossen sich dazu. Sie wurden in Gladiatorenschulen ausgebildet. Ihnen wurde eine gute Ernährung und beste medizinische Versorgung zu teil. Hieran sind bereits durchaus Parallelen zu den heutigen Spitzensportlern erkennbar.
Im Mittelalter wurde Sport über die Durchführung von Ritterturnieren und das Aufkommen von ersten sportlichen Volksspielen, z.B. Frühformen des Fußballspiels, definiert (Schimank 1988: 197). Es kann aber noch nicht von einem eigenen gesellschaftlichen Teilsystem gesprochen werden, weil der Sport nicht allen Ständen gleichermaßen zugänglich war. Außerdem wurde streng darauf geachtet, dass es zu keiner Vermischung der Stände kann. Auch hatte der Sport nicht immer nur den Charakter des Selbstzwecks, vielmehr hatten verschieden Körperübungen, wie Laufen, Werfen und Springen, einen Wehrzweck zum Inhalt (Cachay/Thiel 2000: 48).
Mit der Frühmoderne, im 17. und 18. Jahrhundert, entwickelte sich England zu einer wahren Sportnation, durch das Austragen von Pferderennen oder Ruderwettkämpfen. Diese Sportarten haben bis heute eine große Tradition.
Die Ausdifferenzierung des Sportsystems begann sich erst im 19. Jahrhundert zu vollziehen (Schimank 1988: 194). Sie kann jedoch nicht als Ergebnis einer langen historischen Sporttradition begriffen werden (Schimank 1988: 197). Zur Ausdifferenzierung kam es erst Sport ein „… attraktives Projektionsfeld für Leistungserwartungen aus anderen Teilsystemen…“ (Schimank 1988: 198) wurde. Diese Leistungserwartungen wurden aus dem Erziehungs- ,dem Gesundheits-, dem Militär-, dem Wirtschafts- und dem politischen System an das Sportsystem gestellt.
Die Leistungsanforderungen von Erziehungs- und Politiksystem besteht in der Übertragung von Erziehungsaufgaben in das Sportsystem. Dort sollte die junge Generation durch sportliche Betätigung zu „guten Untertanen“ erzogen werden, ganz im Sinne der politischen Ordnung (Cachay/Thiel 2000: 113).
Ebenfalls im 19. Jahrhundert wurde an den Sport die sogenannte Stärkung der Wehrkraft als gesamtgesellschaftliches Problem herangetragen. Dadurch wurde den Sport große Aufmerksamkeit zuteil. Durch die Ausrichtung auf militärische Übungen kam es zu Spannungen innerhalb des Sportsystems. Die Übungen, die vorwiegend auf militärische Anforderungen ausgerichtet waren, kollidierten mit den Vorstellungen von den Zielen und Aufgaben des Sports. So konnte der Inklusionsanspruch des Sportsystems nicht mehr erfüllt werden.
Ab dem 20. Jahrhundert trat auch das Wirtschaftssystem an den Sport heran. Die Leistung, die hierbei nachgefragt wurde, war die Bereitstellung körperlich gesunder Arbeitnehmer (Cachay/Thiel 2000: 114). Hierbei trat das gesellschaftliche Problem der „Hebung der Volksgesundheit“ (ders. ebenda) in den Vordergrund. Dies sicherte dem Sportsystem Akzeptanz, sowohl von innen wie auch von außen, weil es besser mit dem allgemeinverständlichen Aufgaben des Sport vereinbar schien und ideologisch nicht so negative behaftet war, wie das Problem der Stärkung der Wehrkraft.
Die Entwicklung des Sportsystem ist auch von der Binnendifferenzierung in Breiten und Leistungssport gekennzeichnet.
Der Breitensport zeichnet sich durch eine hohe Inklusion von Teilen der Bevölkerung aus. Inklusion kann nur gelingen wenn viele Menschen mit ihren Bedürfnissen angesprochen werden. Dies leistet der Breitensport durch die Einbeziehung neuer Sportarten in das Repertoir des traditionellen Sports und durch Intergration sportabstinenter Gruppen, z.B. Rentner. Ebenso wird versucht Menschen aus allen Altersgruppen für den Sport zu begeistern, z.B. mit Babyschwimmen bis hin zur Seniorengymnastik.
Der Leistungssport ist in den Breitensport eingebettet. Er bezieht vielfältige Leistungen aus dem Breitensport. Darauf soll später noch genauer eingegangen werden. Im Anschluß soll jedoch ersteinmal das System Spitzen- oder Liestungssport näher betrachtet werden.
4. Das Teilsystem Spitzensport
Da nachfolgend nur vom sozialen System „Spitzensport“, als Bestandteil des Sportsystems, gesprochen werden soll, ist es erst einmal notwendig zu definieren was den Spitzensport auszeichnet in Abgrenzung zum Breitensport oder im Luhmannschen Terminus gefragt, was ist der Kommunikationszusammenhang des sozialen Systems „Spitzensport“?
Wie in dieser Arbeit schon beschrieben wurde, bilden sich soziale Systeme auf der Grundlage eines gemeinsamen Kommunikationszusammenhangs, der selbstreferenziell ist, aus. Das bedeutet: ein soziales System erzeugt durch Sinn eine gewisse Art der Kommunikation, mit der es nun die Umweltkomplexität auf ein akzeptables und für das System vor allem verständliches Niveau bringt. Damit selektiert es brauchbare Anschlussmöglichkeiten für weitere Kommunikation von unbrauchbaren. Diese werden dann vom System ausgeschlossen. Systemrelevante Kommunikation wird nun über binäre Codes realisiert. Binäre Codes bilden also die Leitdifferenz an denen sich Kommunikation orientieren kann. Dabei gibt es jeweils eine positive und eine negative Ausprägung des Codes.
Im System des Spitzensports gibt es hauptsächlich drei grundlegende Rollen: die des Sportler, des Trainers und des Sportfunktionärs. Diese Rollen sind so oder in abgewandelter Form auch im Breitensport zu finden. Der Sportler übt eine bestimmte Sportart aus, indem er gezielt körperliche Leistungen vollbringt. Ein Leistungssportler im Speziellen hat sich das Betreiben einer Sportart zur Hauptaufgabe gestellt. Er nimmt einen hohen Trainingsaufwand auf sich um adäquate Leistungen erbringen zu können. Der Trainer hat sich aus der Rolle des Sportlers ausdifferenziert. Normalerweise hat er die Sportart, die er trainiert, einmal selbst ausgeübt. Er gibt nun seine Erfahrungen, welche er während oder nach seiner Sportlerkarriere gesammelt hat, weiter. Aus der formalen Organisation des Teilssystems Leistungssport entstammt die Rolle des Sportfunktionärs. Mit diesen formalen Organisationen sind Sportvereine und –verbände gemeint. Sie legen Regeln und Normen fest und überwachen diese auch. Des weiteren repräsentieren sie den Sport nach außen.
Im Mittelpunkt, des hier betrachteten Spitzensport, steht ohne jeden Zweifel die Erbringung von Leistungen unter wettkampfbezogenen Bedingungen durch den Sportler selbst. Es geht dabei konkret um das Erbringen von körperliche Höchstleistungen. Das Funktionssystem „Spitzensport“ umfasst also alle Handlungen, die körperliche Leistungen unter dem Aspekt des Wettkampfes kommunizieren (Cachay/Thiel 2000: 135). Selbst das Training ist als wettkampfbezogene körperliche Leistung einzustufen, weil es die im Wettkampf zu erbringende Leistung unmittelbar beeinflussen kann (Cachay/Thiel 2000: 135).
Da, im auf Wettkampf ausgerichteten Sport (also auch im Spitzesport), es vorzugsweise um das Gewinnen oder auch Verlieren geht, lautet der binäre Code des Systems „Spitzensport“ somit Sieg/Niederlage. Auch auf das Training kann dieser Code angewendet werden. Erzielt ein Athlet im Training eine neue Bestzeit, z.B. im 100-Meter-Lauf, so kann dies mit einem Sieg über „sich selbst“ gleichgesetzt werden. Ein weiteres Beispiel wäre wenn zwei gleichgute Sportler im Training ein Ausscheidungsrennen durchführen müssen, weil es nur ein Startplatz im späteren Wettkampf zur Verfügung steht. Dies kann ebenfalls über den Code Sieg/Niederlage erklärt werden. Schwieriger wird es wenn man versucht diesen Code auf den allgemeinen Sport auszudehnen.
Ein Beispiel: Frau Meier hat sich vorgenommen drei Mal in der Woche am Abend ins Fitnessstudio zu gehen, um an einen Aerobickurs teilzunehmen. Jedoch arbeitet Frau Meier recht lang, so dass sie wenn sie nach Hause kommt nicht immer rechte Lust verspürt noch ins Fitnessstudio zu gehen. An dieser Stelle würde der Code Sieg/Niederlage noch greifen. Wenn sie „den inneren Schweinhund überwindet“ und zum Aerobickurs geht, so ist dies mit einem Sieg gleichzusetzen. Wenn sie jedoch nicht motiviert genug ist und lieber zu Hause bleibt, dann wäre das als eine Niederlage einzustufen. Es soll nun davon ausgegangen werden, dass Frau Meier zum Aerobickurs geht. Frau Meiers Beweggrund für die Teilnahme an einem solchen Kurs liegt darin sich körperlich zu betätigen, um etwas abzunehmen und die Beweglichkeit des Körpers zu erhalten (Frau Meier sitzt den ganzen Tag im Büro).
Hier kann man nun nicht mehr mit Sieg/Niederlage arbeiten. Es stehen vielmehr gesundheitliche Aspekte und Spaß an der Bewegung im Vordergrund. Also muss ein Code gefunden werden, der ganzheitlicher ist. Stichweg (1990: 386) schlägt Leisten/Nichtleisten als Codierung vor. Frau Meier als Rolleninhaberin, der Kursteilnehmerin, geht zum Aerobickurs um sich dort körperlich zu betätigen. In diesem Sinn leistet sie etwas, sie treibt Sport.
Für das Teilsystem Spitzen- oder Leistungssport ist also der Siegescode kennzeichnend.
Aus diesem Code ergeben sich nun spezifische Handlungsorientierungen, die sich in Programmen manifestieren. Es handelt sich hierbei um evaluative, normative und kognitive Handlungsorientierungen. Für das Handeln im Spitzensport ist die Orientierung am Code Sieg/Niederlage von großer Bedeutung. Ein Spitzensportler wird alles daran setzen, um zu gewinnen. Nur wer eine hohe Leistungsorientierung besitzt, kann Rekorde aufstellen oder zumindest den ersten Platz erreichen. Des weiteren ist der Wille zum Sieg wie auch zum Weitersiegen unerlässlich für den Akteur. Nur über dieses Leistungsprinzip erfolgt der Zutritt zum Spitzensport.
Jedoch ist ein Sieg in einem Wettkampf durchaus unterschiedlich interpretierbar (Cachay/Thiel 2000: 138). Einem Sieg bei einer Weltmeisterschaft wird eine andere Bedeutung beigemessen als einem Sieg bei Europameisterschaften. Der Siegcode ist auch künstlich erweiterbar. So kann es neben dem „offensichtlichen“ Gewinner eines Wettkampfes noch andere Sieger geben, z.B. den Torschützenkönig, den fairsten Spieler usw. Durch die weitere Differenzierung des Codes können Sportler zusätzlich motiviert werden, mehr zu leisten.
Die normativen Orientierungen beschreiben die Regeln, Normen und Prinzipien wie Fairness einer Sportart (Cachay/Thiel 2000: 139). Sie sind unerlässlich für die Organisation von Wettkämpfen, bilden sie doch den Rahmen für Leistungsvergleiche. So hat zum Beispiel ein Fußballfeld, bei einem Länderspiel, überall auf der Welt die gleichen Abmessungen und eine Fußballmannschaft darf bei einem Spiel nur elf Feldspieler umfassen. Durch ein komplexes Regelwerk soll gewährleistet werden, dass jeder Athlet die gleichen Bedingungen für seinen Wettkampf vorfindet und somit seine Chance zu Siegen erhält. Trotz ausgeklügelter Regeln sind die Chancen auf den Sieg für die Athleten nicht immer gleich. Man denke hierbei an Freiluftsportarten, wie Skispringen, wo die Siegeschancen doch des Öfteren buchstäblich „vom Winde verweht“ werden.
Nach Cachay/Thiel haben Regeln mehrere Funktionen inne. Zum einen begrenzen sie die Handlungen auf sachlicher, zeitlicher und sozialer Ebene. Somit findet eine Komplexitätsreduktion statt. Durch diese handlungsdifferenzierende Funktion von Regeln werden aber gleichzeitig neue Handlungsqualitäten geschaffen, d.h. der Athlet versucht seine Handlungsmöglichkeiten ins Unendliche hinein zu verbessern.
Eine wichtige Funktion von Regelsystemen besteht auch darin, dass sie Sportarten wiederholbar gestaltet. Ein Beispiel hierzu ist die Formel 1. Die Rennen finden zwar in verschiedenen Ländern auf verschiedenen Strecken statt, jedoch ist der Modus zur Bestimmung des Siegers bzw. Gesamtsiegers immer der selbe. Außerdem wird durch das Aufstellen von Regeln eine gewisse Verhaltenskonfomität erzielt. Dies geschieht durch Sanktionen bei Regelverstößen, z.B. Wettkampfsperre bei Doping.
Die kognitiven Spezifizierungen des Siegescodes beinhalten Strategien und Taktiken. Sie dienen „…zur Spezifizierung von Handlungserwartungen.“ (Cachay zitiert nach Cachay/Thiel 2000: 141) und tragen so zu einer Aufteilung der Rollen in den Organisationssystemen des Leistungsports bei. Dieser Aspekt kann besonders gut bei Mannschaftssportarten beobachtet werden. Dort werden unterschiedliche Rollen von unterschiedliche Akteure übernommen, an die unterschiedliche Verhaltenserwartungen geknüpft sind (Cachay/Thiel 2000:142). Im Fußball gibt es z.B. die Rolle des Torwarts, Mittelfeldspielers, Stürmers usw. Von Torwart erwartet man, dass er verhindert, dass der Ball ins Tor geschossen wird. Diese Differenzierung von Verhaltenserwartungen reduziert bei einem jeden Akteur Komplexität, weil seine Rolle durch die Taktik klar definiert wurde (ein Torwart steht fast ausschließlich im Tor).
III. Da draußen ist irgendwas – Die Umwelt des Spitzensports
Systeme können wegen der Spezialisierung auf ihre jeweilige Funktion als relativ autonom betrachtet werden. Sie erhalten und bewahren diese Autonomie durch Autopoiesis. Was bedeutet nun Autonomie im teilsystemischen Zusammenhang? Es ist zu bemerken, dass Autonomie nicht mit Autarkie gleichzusetzen ist (Schimank 2002: 8). Funktional differenzierte Teilsysteme müssen eine gewisse Umweltoffenheit an den Tag legen, damit sie die Leistungen der anderen Systeme benutzen und erhalten können, d.h. Systeme passen ihre internen Grenzen an die vom jeweils anderen System erzeugten Ereignisse an (Cachay/Thiel 2000: 148). Dieser Vorgang kann auch als strukturelle Kopplung bezeichnet werden. Alle Funktionssysteme sind durch strukturelle Kopplung miteinander verbunden. Diese Beziehung untereinander findet unter der Bedingung der Autopoiesis statt. Wie schon angesprochen wird durch Autopoiesis interne Komplexität produziert. Trotzdem ist die Gesellschaft in der Lage „…diese interne Komplexität zu erfassen und zu verarbeiten, um sich auf einer höheren Ebene der Komplexität zu reproduzieren.“ (Münch 2004: 212).
Die Funktionssysteme werden durch Irritationen aus der Umwelt angeregt Operationen und Beobachtungen durchzuführen, die auf Verarbeitung dieser Irritationen abzielen. Ein System kann jedoch nur von wahrgenommenen Vorgängen aus der Umwelt irritiert werden. Durch strukturelle Kopplung wird die wechselseitige Irritation von gesellschaftlichen Funktionssystemen in eine Ordnung gebracht (Münch 20004: 212).
Dabei ist zu beachten, dass durch strukturelle Kopplung ein System nicht zerstört wird. Es verarbeitet lediglich die Umwelteinwirkungen und legt damit seine Grenze zur Umwelt neu fest. Mit Hilfe struktureller Kopplung wird ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Systemintegration ermöglicht (Schimank 2000: 191f.) Beispielsweise werden das Sportsystem (inklusive Spitzensport), das Wissenschaftssystem und das Erziehungs-system durch Sportunterricht/Sportschulen aneinander gekoppelt.
Im Folgenden soll nun gezeigt werden wie sich das System Spitzensport und andere Teilssysteme wechselseitig beeinflussen. Mit anderen Teilsystemen sind Wirtschaft, Politik und Massenmedien, sowie der Breitensport, als Teilsystem des Sports, gemeint.
Wie schon gesagt worden ist, sind Systeme dazu angehalten ihren Bestand zu sichern, also Ressourcen zu beschaffen und Störungen (Irritationen) zu überstehen, um dauerhaft Komplexität reduzieren zu können. Wie gelingt es nun dem Teilsystem Spitzensport Ressourcen zu beschaffen und wie gestalten sich die Beziehungen, die dabei eingegangen werden?
Eine hohe Bedeutung für den Leistungssport hat ohne jeden Zweifel das Publikum. Ihm werden körperliche Höchstleistungen gezeigt. Man könnte auch von der „… Kommu-nikation der kommunizierten wettkampfbezogenen körperlichen Leistungen…“ sprechen (Cachay/Thiel 2000: 146). Cachay/Thiel sprechen in diesen Zusammenhang noch von einer zweiten Ebene, der „konversationellen Leistungsebene“. Dort werden Helden, Idole aber auch Gewinner und Verlierer generiert. Diese Leistung wird vom Publikum erbracht durch das Betrachten der von den Sportlern erbrachten Leistungen. Hier kann man oft beobachten, dass nicht immer der Sieger die größten Sympathien des Publikums genießt. Oft sind es Verlierer oder Sportler mit einer besonderen „Geschichte“, die in der Gunst der Zuschauer ganz weit oben stehen, wie z.B. der englische Skispringer „Eddie The Eagle“.
Das Betrachten von Wettkämpfen kann zum einen auf direkte Art geschehen, wenn man als Zuschauer in ein Stadion oder Sporthalle geht. Dort ist man sozusagen „hautnah“ dabei, wenn die Wettkämpfe „veröffentlicht“, publiziert werden. Eine andere Art den Spitzensport zu konsumieren, ist dessen mediale Darstellung über Fernsehen, Radio oder die Printmedien aufzunehmen.
Die Motivation des Publikums Sportveranstaltungen zu konsumieren, kann vielfältig sein.
Es möchte in erster Linie unterhalten werden. Dies geschieht durch den hohen Authentizitätsgehalt, sowie durch den, nicht zuletzt durch die Medien generierten, Spannungsbogen der Sportarten.
Die Massenmedien haben also einen großen Anteil daran, dass der Sport überhaupt vom Publikum beobachtet/wahrgenommen werden kann. Dabei sind sie ein Teil des Publikums, weil sie gewissermaßen auch Beobachter sportlicher Leistungen. Sie konstruieren durch ihre Berichterstattung die Realität des Spitzensports. So werden beispielsweise durch den Einsatz von modernster Kameratechnik dem Zuschauer am Fernsehbildschirm ganz neue Einblicke in diverse Sportarten geboten. Dies soll helfen die Attraktivität der Sportveranstaltungen zusätzlich für das Publikum zu erhöhen.
Aber auch die Häufigkeit von Berichterstattungen kann das Konsumverhalten der Zuschauer beeinflussen. In den letzten Jahren hatte z.B. das Interesse für Skispringen stark zugenommen. Dafür war nicht zuletzt die Anzahl sowie Art der Berichterstattung des Senders RTL verantwortlich. Skispringen zeichnet sich besonders im Winter durch eine hohe Medienpräsenz aus. Dadurch hat diese Sportart eine größere Chance vom Publikum wahrgenommen und reflektiert zu werden, was dazu motiviert kann, dem Skispringen als Fan treu zu bleiben und weitere Wettkämpfe zu beobachten.
Wie vollzieht sich nun die strukturelle Kopplung der Massenmedien und des Spitzensports? Das System der Massenmedien kann sich an der Länge der verschiedenen Wettkämpfe orientieren und seine Berichterstattung daran ausrichten, z.B. bei Verlängerung oder Elfmeterschiessen in einem Fußballspiel. Der Spitzensport hingegen kann Wettkampfregeln beeinflussen, um attraktiver für die Übertragung durch die Massenmedien zu werden. Beispielsweise wurde die Kleiderordnung im Beachvolleyball der Damen verändert, damit der Sport reizvoller für das männliche Auge wird.
Die Codierung beider Systeme bleibt dabei unangetastet. So geht es beim Spitzensport weiter um Sieg oder Niederlage, während für die Massenmedien die Unterscheidung zwischen Information oder Nichtinformation bestehen bleibt.
Die strukturelle Kopplung zwischen Publikum und Spitzensport läuft über die Veranstaltung von Sportarten. Das Publikum verfügt dabei über die Möglichkeit der Berichterstattung von Wettkämpfen, während der Spitzensport diese zur Verfügung stellt. Gesteuert wird die Gegenseitigkeit beider Systeme über das Medium Geld, welches auch die Operationen zwischen praktisch jedem der gesellschaftlichen Teilsysteme aufrecht erhält und somit deren Bestand sichert. Das Publikumssystem benötigt die Ressource Geld, um Rechte für das Betrachten von Veranstaltungen zu bekommen. Ein Beispiel hierfür sind GEZ-Gebühren, das Abonnement von Pay-TV oder einfach der Kauf einer Eintrittskarte. Schließt man die Massenmedien in das Publikumssystem mit ein (auch sie sehen Wettkämpfen zu, sind also ein Teil des Publikums) so entrichten sie Geld an das Sportsystem, damit sie die Veranstaltungen übertragen dürfen. Dabei kommt es nicht selten zu erbitterten Konkurrenzkämpfen zwischen den einzelnen Fernsehanstalten um die Senderechte an der jeweiligen Sportveranstaltung.
Der Leistungssport hingegen braucht Geld für die Nachwuchsförderung. Nur durch die Rekrutierung neuer Leistungsträger kann der Code sowie das Programm des Systems Spitzensport aufrecht erhalten werden.
Das System Spitzensport ist auf die Ressource Geld angewiesen, um „überleben“ aber auch wachsen zu können. So steht die Beschaffung dieser überaus wichtigen Ressource neben der Erbringen körperlicher Leistungen im Mittelpunkt. Geld kann auch vom Wirtschaftssystem bezogen werden. Hierbei spielt der Begriff des Sponsoring eine tragende Rolle. Die strukturelle Kopplung zwischen beiden Systemen kommt durch Sponsorenverträge zustande. Hierbei stellen Wirtschaftsunternehmen, z.B. Puma Leistungen, z.B. Sportbekleidung einem oder mehreren Athleten (Mannschaft), sowie Vereinen und Verbänden zur Verfügung. Die Begünstigten werben nun mit Hilfe von Trikot- und Bandenwerbung, TV-Spots für die Produkte des Wirtschaftsunternehmen. Durch Werbung sollen jeweils positiven Eigenschaften der Sportart und des Athleten auf das Produkt übertragen werden. Ziel dieser Austauschprozesse ist der Genuss von Vorteilen auf Seiten des Sponsors wie auch der Gesponserten. Aus solchen Beziehungen können starke Abhängigkeiten besonders für den Spitzensport entstehen. So fällt auf, das neu erbaute Stadien immer öfter den Name des jeweiligen Sponsors tragen, z.B. AOL-Arena. Vor nicht allzu langer Zeit wurden diese Anlagen nach bedeutenden Sportlern benannt. Diese Art der Leistungs-Gegenleistungs-Beziehung zwischen Wirtschaft und Sport wäre ohne die Präsenz des Publikums und der Massenmedien gar nicht denkbar, sind sie es doch, die dieser Beziehung Aufmerksamkeit schenken, indem sie die Formen der Werbung wahrnehmen oder sie übertragen. Dabei geht es dem Wirtschaftssystem nicht in erster Linie darum, ob der gesponserte Athlet auch tatsächlich immer gewinnt. Es kommt vielmehr darauf an wie beliebt der Sportler beim Publikum ist und wie populär er durch seine Medienpräsenz werden kann oder bereits ist. So zielt die Wirtschaft durch die Ausstrahlung von Werbung über die Medien darauf ab, das positive Image (durch die Medien kreiert) des Sportlers auf das Produkt zu übertragen, um die Verkaufzahlen steigern zu können. So kann ein Sportler, der oft verliert, auf Grund seiner physischen Attraktivität oder seines Unterhaltungswertes einen höheren Bekanntheitsgrad erreichen und mehr Geld verdienen als jemand, der häufig gewinnt, wie z.B. die ehemalige Tennisspielerin Anna Kournikova.
Wie schon festgestellt wurde, hat das Streben nach dem Sieg die höchste Priorität. Um sportliche Höchstleistungen vollbringen zu können, bedarf es eines kontinuierlichen Trainings. Dies ist jedoch sehr zeitaufwendig und kostenintensiv. So werden Sponsoren benötigt, damit Sportler und Vereine ihre Existenz sichern können. Da sich der Erhalt von Sponsorenleistungen an der schon gezeigten oder noch zu erwartenden sportlichen Leistungsfähigkeit orientiert, kann der Athlet so unter Druck geraten, dass er möglicher-weise sich illegaler Mittel bedient um gegen andere Konkurrenten bestehen zu können. Jedoch können auch weniger erfolgreiche Sportler, wie oben angesprochen in den Genuss der finanziellen Förderung kommen, wenn sie sich durch einen hohen Unterhaltungswert auszeichnen. Allerdings muss das Leistungsvermögen eines Verlierers so hoch sein, dass er sich wenigstens für die medienwirksamen Wettkämpfe qualifizieren kann und somit vom Publikum überhaupt wahrgenommen wird (Cachay/Thiel 2000: 151).
Als nächstes soll auf die Beziehungen der Systeme Politik und Leistungssport einge-gangen werden. Die Deckung der Kosten des Leistungssports wird nicht allein vom Wirtschaftssystem übernommen. Auch die Politik stellt Ressourcen zu Verfügung. So gibt es von öffentlicher Hand finanzierte Organisationen, wie Verbände, Fördereinrichtungen und auch die Bundeswehr, von denen die Akteure des Spitzensports in gewisser Weise abhängig sind. In Verbänden sind Vereine als formale Mitglieder zusammengefasst. Dort werden die Verwaltung der Fördereinrichtungen sowie der Zugang zu diesen organisiert. Ebenso wird über Verbände die Teilnahme an Nationalmannschaften geregelt.
Neben den Verbänden ist noch die Stiftung Deutsche Sporthilfe zu nennen, die ebenfalls die Förderung leistungsstarker Athleten übernimmt. Die Vergabe von Stiftungsleistungen erfolgt nach den Kriterien der Bedürftigkeit, Individualität und Gerechtigkeit (siehe auch http://www.sporthilfe.de).
Eine andere Ressourcenquelle stellt der Bundesausschuss für Leistungssport (BA-L) im Deutschen Sportbund (DSB) dar. Mit den Geldern des BA-L werden Fördereinrichtungen und Olympiastützpunkte finanziert um so den Athleten optimale Trainingsbedingungen zu bieten.
Für viele Athleten, die keinen Zuwendungen von Sponsoren erhalten, haben die Förderleistungen von Verbänden und der Deutschen Sporthilfe eine zentrale Bedeutung.
So müssen sich die Sportler nicht primär mit der Beschaffung finanzieller sowie materieller Mittel, z.B. Sportgeräte, befassen. Sie können sich dadurch ganz auf die Verbesserung ihrer sportlichen Leistungen konzentrieren.
Als Gegenleistung muss der Athlet gute Ergebnisse bei Sportveranstaltungen erzielen, d.h. er muss gewinnen. Wenn ein Athlet bei einem internationalen Wettkampf siegt, so leistet er „…einen Betrag zur Erzeugung einer nationalen, regionalen und kommunalen Identität.“ (Cachay/Thiel 2000: 152).
Die Erzeugung von kommunaler Identität kann zum Beispiel beobachtet werden, wenn ein Sportler in seiner Heimatstadt Ehrenbürger wird.
Die Ressourcen des Politiksystems sind jedoch begrenzt, so dass viele Sportler um die wenigen Plätze in den Fördereinrichtungen konkurrieren müssen. Auch die Teilnahme an Nationalmannschaften ist durch Knappheit gekennzeichnet. Nur diejenigen Athleten, welche die vorgegebenen Qualifikationsnormen erfüllen, sind berechtigt an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen sowie Mitglieder von Nationalmannschaften zu werden. Die Zugehörigkeit zu einer nationalen Auswahl ist mit Prestigegewinn und erhöhtem Medieninteresse für den jeweiligen Sportler verbunden. Ihm wird so die Möglichkeit geboten seine sportartspezifische Leistungsfähigkeit einem breiten Publikum vorzustellen. Dies kann zu einer Steigerung seines Marktwertes führen, was wiederum lukrative Verträge mit Sponsoren oder Vereinen und Veranstaltern von Sportübertragungen nach sich ziehen kann.
Der Spitzensport wird des weiteren zur Veröffentlichung politischer Themen genutzt. Beispielsweise kann sich ein Politiker während des Wahlkampfes als besonders volksnah geben und verschiedene Veranstaltungen des Breiten- oder Spitzensports besuchen oder an ihnen direkt teilnehmen.
In Zeiten des Kalten Krieges wurde der Spitzensport nicht selten instrumentalisiert als Kampf der Ideologien. So wurde der Sieg eines Athleten aus einem kommunistischen Land oft gleichgesetzt mit dem Sieg über dem Kapitalismus.
Zum Schluss sollen noch die Beziehungen zwischen Breitensport und Leistungssport dargelegt werden. Das Spitzensportsystem profitiert in vielfältiger Weise von der Organisationsstruktur des Breitensports. So wird häufig auf die Infrastruktur des Breitensports, wie Hallen oder Geräte zurückgegriffen. Eine weitere Ressource sind die Mitgliedsbeträge, welche vom Breitensport zur Unterstützung des Leistungssports bereitgestellt werden. Dies ist vor allem bei Sportarten mit geringen Zuschauerinteresse von Bedeutung. Eine weitere Leistung ist die Bereitstellung von Nachwuchssportlern. In Anbetracht der wachsenden internationalen Konkurrenz und der wachsenden Leistungsanforderungen an die Athleten ist das Spitzensportsystem an einer optimalen Ausbildung des Nachwuchses durch den Breitensport interessiert (Cachay/Thiel 2000: 154). Eine andere personelle Ressource stellen Überungsleiter und vor allem Funktionäre dar. Letztere bergen oft ein großes Problempotenzial in sich, da es auf der Funktionärebene keine Trennung von Spitzen- und Breitensport gibt (Cachay/Thiel 2000: 154). So kann es passieren, dass wenn dabei die Interessen des Vereinsvorstandes, der für den gesamten Sportbereich verantwortlich ist, mit denen des Trainers oder Athleten aus dem Spitzensport kollidieren.
Fazit
In dieser Arbeit sollte das Konzept der funktionalen Differenzierung von Niklas Luhmann näher vorgestellt werden. Dieses Konzept hat die Ausdifferenzierung der Gesellschaft in verschiede Funktionssysteme zum Inhalt. Daran angelehnt wurde die Ausdifferenzierung des Sportsystems kurz vorgestellt. Anschließend wurde speziell das Teilsystem Spitzensport und seine Beziehungen zum Wirtschafts- und Politiksystem sowie den Massenmedien betrachtet. Des weiteren bestehen auch Beziehungen innerhalb des Sportsystems, zwischen Leistungs- und Breitensport. All diesen Beziehungen haben jedoch nicht nur positive Auswirkungen. Auch dies wurde hier angesprochen.
Es bleibt jedoch festzuhalten, das durch die erhöhte Aufmerksamkeit der Massenmedien einerseits den Sportarten zu einem größeren Bekanntheits- wie auch Beliebtheitsgrad verholfen wird. Andererseits lastet auf den Akteuren des Spitzensports ein erhöhter Druck diesem medialen Interesse durch Rekorde und spannenden Wettkampfe gerecht werden zu können. Unlautere Mittel, z.B. Doping, oder die Überbeanspruchung des Körpers durch zu viele Wettkämpfe sind die Schattenseiten des modernen Leistungssports.
Auch in den Beziehungen zwischen Wirtschafts- und das Politiksystem auf der einen Seite und dem Spitzensport auf der anderen, spielen die Massenmedien eine entscheidene Rollen. Sie veröffentlichen Werbungen oder vermitteln ein Nationalgefühl bei internationalen Wettkämpfen. Sie haben die Möglichkeit eine breite Öffentlichkeit über die Darstellung des Sports zu integrieren.
Eine wichtige Ressource, die Wirtschaft und Politik zur Verfügung stellen, ist Geld. Es wird zur Förderung einzelner Athleten sowie zur Beschaffung von z.B. Sportgeräten verwendet. Des weitern können Sachleistungen vom Wirtschaftssystem über Sponsoring bereitgestellt werden. Die Gegenleistung, die das Sportsystem erbringen muss, ist die Erzielung von körperlichen Höchstleistungen und von Rekorden und die Zurschaustellung der Sachleistungen des Wirtschaftssystems durch das Tragen, der zur Verfügung gestellten Kleidung.
Auch der Breitensport leistet einen großen Beitrag für den Fortbestand des Spitzensports.
So wird der Nachwuchs für den Leistungssport aus dem Breitensport rekrutiert. Dabei sollte dem jungen Sportlern optimale Trainingsbedingnungen geschaffen werden um national und international bestehen zu können. Dies muss am Anfang einer Sportlerkarriere mit Zuwendungen aus der Politik geschehen, weil die Wirtschaft meist erst auf einen Sportler aufmerksam wird, wenn er bereits erfolgreich international in Erscheinung getreten ist.
Deshalb sollten die Inklusionsbemühungen des Breitensports allumfassend unterstützt werden um junge Talente entdecken und adäquat fördern zu können. Dies sichert die nationale und internatipnale Anschlussfähigkeit des Leistungssports.
Abschliessend bleibt festzuhalten, dass der moderne Sport zu einem festen Bestandteil der Gesellschaft geworden ist, nicht zuletzt durch seine hohe Inklusionsrate.
Literatur
Berghaus, Margot (2004): Luhmann leicht gemacht. 2. Auflage. Köln/Weimar/Wien: Böhlau
Cachay, Klaus/Thiel, Ansgar (2000): Soziologie des Sports. Zur Ausdifferenzierung und Entwicklungsdynamik des Sports der modernen Gesellschaft. Weinheim und München: Juventa
Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Band 1 und 2. Frankfurt am Main: Suhrkamp
Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main. Suhrkamp
Lukas, Gerhard (1969): Die Körperkultur in frühen Epochen der Menschheitsentwicklung. Berlin: Sportverlag
Münch, Richard (2004): Soziologische Theorie. Band 3: Gesellschaftstheorie. Frankfurt/New York: Campus. S. 180-232
Schimank, Uwe: Die Entwicklung des Sports zum gesellschaftlichen Teilssystem. In: Mayntz, Renate; Rosewitz, Bernd; Schimank, Uwe; Stichweh, Rudolf (1988): Differenzierung und Verselbständigung. Zur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme. Frankfurt/New York: Campus. S. 181-232
Schimank, Uwe (2000): Theorien gesellschaftlicher Differenzierung. 2. Auflage. Opladen: Leske + Budrich. S. 153-203
Ulrich, Hans/Probst, Gilbert, J., B.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln. Ein Brevier für Führungskräfte. Bern: Haupt. S. 27-102
Willke, Helmut (1993): Systemtheorie. 4. Auflage. Stuttgart/Jena: Fischer
Internet
Schimank, Uwe: Wer gegen wen? Der „Kampf der Götter“ in der differenzierten Gesellschaft. Vortrag, Vorlesungsreihe: „Feindliche Übernahmen? – Zur Dynamik gesellschaftlicher Grenzüberschreitungen“ am Forschungsinstitut für Philosophie. Hannover. 18.04.2002. S. 1-23
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