Berlinale: bedeutungsschwangerer Wettbewerb

Die 66. Berlinale ist im vollen Gange. Menschen eilen von Kino zu Kino um nicht eine Sekunde der wichtigen, spannenden oder interessanten Filme zu verpassen. Das Motto des diesjährigen Festivals ist “das Recht auf Glück”. Im Kleinen erfährt das ja der/die ein oder andere schon, wenn die ersehnte Kinokarte für den Wunschfilm noch verfügbar ist. Auf der Leinwand indess werden brennende politische und gesellschaftliche Fragen, die im Zusammenhang mit dem Motto stehen, gewälzt.

© berlinale

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Ein Film, der viele be- und gerührt hat, ist die italienische Dokumentation ‘Fuocoammare’ (Fire at the sea) von Regisseur Gianfranco Rosi. Das Meer brennt – seit einiger Zeit schon ist die Mittelmeerinsel Lampedusa der Inbegriff einer verfehlten europäischen Flüchtlingspolitik. Unter widrigen Umständen, in überfüllten Booten machen sich verzweifelte Menschen Tag für Tag auf den Weg nach Europa mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Rosi findet für die Darstellung des eigentlich Unfassbaren einprägsame Bilder. Wir beobachten eine Rettungsaktion: Auf dem Flüchtlingsboot überall dehydrierte, geschwächte Menschen, unter Deck dann viele Tote. Im Kontrast dazu werde immer wieder Szenen vom alltäglichen Leben der Lampedusa-Bewohner gezeigt. Exemplarisch hierfür steht Samuele, der zur Schule geht, Hausaufgaben macht, mit Freunden spielt. In seiner Realität kommen Geflüchtete einfach nicht vor, so scheint es. An der Figur Samuele verdichtet Rosi schließlich auch seine Europakritik. Als dieser zum Arzt kommt und über Atemnot wegen Angstzuständen klagt. Ein ganz und gar entlarvende Metapher für Europas derzeitigen inneren Zustand.

Rosi stellt immer wieder die beiden Wirklichkeitssphären gegenüber um eine hohen Grad an Erschütterung beim Zuschauer zu erreichen. Und der Film verfehlt seine Wirkung nicht. Rosi zeigt einen unkommentierten Ist-Zustand der Lage auf Lampedusa. Dieser Punkt brachte dem Regisseur einiges an berechtigter Kritik ein. Trotzdem ist ‘Fuocoammare’ bis jetzt einer der besten Filme im Wettbewerb.

 

Still aus dem Spielfilm "24 Wochen" In der Hauptrolle: Julia Jentsch als Astrid Regie: Anne Zohra Berrached Kamera: Friede Clausz Produktion: zero one film in Koproduktion mit: ZDF / Das kleine Fernsehspiel und Filmakademie Baden-Wuerttemberg Weltvertrieb: Beta Cinema

© Friede Clausz

Der einzige deutsche Wettbewerbsbeitrag ‘24 Wochen’ brachte nahezu den gesamten Kinosaal zum Schluchzen. Regisseurin Anne Zohra Berrached ist nach ihrem ersten Spielfilm ‘Zwei Mütter’, den sie 2013 in der Perspektive Deutsches Kino präsentieren durfte nun mit ‘24 Wochen’ im Wettbewerb vertreten. Es geht um Astrid (Julia Jentsch), eine erfolgreiche Comedian. Sie ist zum wiederholten Mal schwanger und freut sich mit Freund und Manager Markus (Bjarne Mädel) schon sehr auf das Baby. Nach einer Schwangerschaftsuntersuchung bekommen sie die Nachricht, dass das Kind nicht gesund auf Welt kommen wird. Der Arzt legt einen Schwangerschaftsabbruch, auch Spätabbruch genannt, nahe. Aber Astrid und Markus wollen die sich der Herausforderung stellen. Doch dann stellen Ärzte eine Herzfehler beim Ungeborenen fest…

Berrached ist ein sehr intensiver und aufwühlender Film gelungen. Nah dran ist die Kamera wenn Astrid mit sich und Freund Markus um eine Entscheidung ringt. Fernab jedes Klischees und mit großem Einfühlungsvermögen wird ihre Geschichte bis zur entgültigen Entscheidung erzählt. Dank des exzellenten Drehbuchs von Carl Gerber, der ein feines Gespür für nuancierte Charakterzeichnungen und Storywendungen hat, kann sich der Zuschauer der Wucht des Films nicht mehr entziehen. Später bei der Pressekonferenz konnte sich das gesamte Filmteam viel Lob abholen, allen voran die großartige Regisseurin Anne Zohra Berrached.

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